Zur Alkoholabhängigkeit
Eine voll ausgeprägte Alkoholabhängigkeit entsteht meist über viele Jahre. Häufiges Denken an Alkohol, steigender Konsum, Streitigkeiten in der Familie, nachlassende Leistungsfähigkeit, vielleicht Geldknappheit und ein Verlust an Lebensfreude sind mögliche Zeichen einer beginnenden Abhängigkeit.
Der Weg in die Abhängigkeit lässt sich über zwei unterschiedliche Trinkmuster zurückverfolgen. Der eine beginnt mit dem regelmäßigen Trinken. Im Laufe der Jahre steigt die Trinkmenge, die aber über den Tag verteilt getrunken wird, so dass trotz der insgesamt großen Trinkmengen die schweren Räusche und damit die sozialen Auffälligkeiten weitgehend ausbleiben. Dieses Trinkmuster wird auch als Spiegeltrinken bezeichnet. Ständig unter Alkoholeinfluss zu stehen, wird so im Laufe der Zeit zu einem elementaren Bedürfnis.
Ein anderes Trinkmuster besteht darin, sich gehäuft bis zum Rausch zu betrinken. Die Kontrolle über die Einhaltung einer noch verträglichen Trinkmenge geht verloren, und es wird solange getrunken, bis der schwere Rauschzustand das Ende des Trinkens erzwingt. Anfänglich kann das berauschende Trinken dazu dienen, Konflikte oder unangenehme Befindlichkeiten zu vergessen. Aber auch dieses berauschende Trinken kann sich zur Gewohnheit entwickeln und in eine Abhängigkeit vom Alkohol münden, wenn es nicht mehr gelingt, sich trotz des Erkennens der schädigenden Folgen des Alkohols zu enthalten.
Als positive Erfahrung zur Fortsetzung des Fehlverhaltens kommen die angenehmen Selbsterfahrungen durch das Trinken von Alkohol in Betracht, aber auch die Vorbildfunktion von Erwachsenen und Gleichaltrigen. Bei fortgeschrittenem Alkoholmissbrauch kommt die Erfahrung hinzu, dass sich Entzugserscheinungen durch den Alkoholkonsum vermeiden lassen. Das Trinkverhalten wird vom Vorbild der Familie und dem Freundeskreis, wesentlich beeinflusst. Jugendliche tendieren insgesamt dazu, die Trinkgewohnheiten der Erwachsenen zu übernehmen. Einen zusätzlichen Einfluss nimmt der Bekanntenkreis auf das Trinkverhalten des Jugendlichen, der pubertätsbedingt nach anderen Vorbildern als den Eltern sucht und zu gruppenkonformem Verhalten neigt.
Ein weiterer Forschungsansatz befasst sich mit der Abklärung von Erbfaktoren bei der Entstehung einer Alkoholkrankheit. Dafür spricht das gehäufte Vorkommen des Alkoholismus in der gleichen Familie. Als Gegenargument wurden Milieufaktoren angeführt, die zum gleichen Ergebnis führen können. So ließe sich das gehäufte Vorkommen von Alkoholikern in einer Familie allein durch die Nachahmung der elterlichen Vorbilder erklären im Sinne des sozialen Lernens. Um Klarheit darüber zu schaffen, wurden als Zielgruppe für diese Untersuchungen in sogenannten Adoptivstudien Kinder ausgewählt, die getrennt von ihren alkoholkranken Eltern in Pflegefamilien aufwuchsen. Die Ergebnisse stützen eindeutig die Annahme von Erbfaktoren, denn es fand sich auch bei den getrennt von den Eltern in Pflegefamilien aufgewachsenen Söhnen eine deutlich erhöhte Alkoholismusrate. Bei den Töchtern ließ sich dagegen keine so eindeutige Beziehung feststellen. Vererbt wird sicher nicht die Alkoholkrankheit als solche, sondern nur eine Veranlagung dazu. Es könnte sich dabei um bestimmte Persönlichkeitseigenschaften handeln, die wie bei den Eltern zu positiven Trinkerfahrungen führen und insofern den fortgesetzten Missbrauch begünstigen.