Willst du gesund werden?
Als Bordfunker bei der Luftwaffe macht Siegfried Markert zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Alkohol. Er entdeckt, dass nach einigen Gläsern Rum oder Branntwein seine Anspannungen und Ängste vor den Feindflügen wie weggeblasen sind. Die „Alkoholkarriere“, die sein Leben an den Abgrund brachte, und den Weg zur Veränderung und zu neuer Hoffnung beschreibt er im folgenden Lebensbericht. Mit der Erfahrung, dass Jesus sein Leben in der Hand hält, und mit der Zuversicht auf das ewige Leben starb Siegfried Markert im April 2007 im Alter von 86 Jahren.
Nach dem Krieg wurde ich Verkaufsleiter und betreute etwa 15 Außendienstmitarbeiter. Für unsere Arbeit brauchten wir Optimismus, Elan und Überzeugungskraft. Doch wer besaß diese Eigenschaften schon auf Dauer. Auch hier bewährten sich meine Erfahrungen mit dem Alkohol. Wenn meine Mitarbeiter sauer waren, wenn der Erfolg ausblieb, half der Branntwein.
Bald hatte ich über meinen Alkoholkonsum keine Kontrolle mehr Ich war öfter berauscht als ich es wollte. Nach einer Sauftour mit den Kollegen verlor ich auf der Heimfahrt die Kontrolle über mein Fahrzeug und landete im Straßengraben. Das Resultat: Führerscheinentzug für ein Jahr. Die guten Vorsätze, die ich daraufhin fasste, hielten keine 14 Tage an. Aus Verzweiflung über die Blamage, dass ich als Außendienstleiter ohne Auto war, trank ich noch mehr. Damit ging es weiter abwärts mit mir.
Weil ich unpünktlich und unzuverlässig war, musste ich Ausreden erfinden. Ich wusste nicht mehr ein noch aus. In meiner Not suchte ich eine Ärztin auf, die mir ein Medikament verschrieb. Mit diesem Hilfsmittel schaffte ich es tatsächlich, über ein halbes Jahr alkoholfrei zu bleiben. Für kurze Zeit wurde ich wieder fröhlich.
Doch bei der Weihnachtsfeier mit meinen Kollegen trank ich wieder drei Gläser Bier, da ich der Meinung war, ich hätte jetzt mein Trinken unter Kontrolle. Es war die Hölle! Nachdem ich eine Woche maßlos getrunken hatte, war ich so weit, dass ich schon frühmorgens einige Schnäpse brauchte, um überhaupt mit der Arbeit beginnen zu können. Diese besorgte ich mir heimlich und war der absurden Meinung, dass ich meinen elenden Zustand verbergen könnte.
Es kostete mich nun große Mühe, ein bis zwei Stunden am Tag zu arbeiten. Ich litt unter den verächtlichen und mitleidigen Blicken meiner Mitarbeiter. Eines Tages war ich so verzweifelt, dass ich in mein Büro ging, um mich mit einem Kabel zu erhängen. Doch Gott wollte, dass ich am Leben blieb. Ein Vertreter überraschte mich dabei und brachte mich nach Hause:
Am nächsten Tag kam ich ins Krankenhaus, wo ich ein Vierteljahr bleiben musste. Mit viel Liebe und Verständnis und mit 50 Infusionen päppelte man mich wieder auf. Obwohl ich mich in einem christlichen Krankenhaus befand, war ich blind für das Wirken Gottes. In die Bibel warf ich keinen Blick. Sie lag gut aufgeräumt in meiner Nachttischschublade.
Die Ermahnung meines Arztes, es wäre mein Tod, wenn ich weiter trinken würde, nützte nichts. Schon eine Woche nach meiner Entlassung stand ich wieder an der Theke einer Gaststätte und trank. Ich gab alle Hoffnung auf.
Eines Tages machte mich jemand auf das Blaue Kreuz aufmerksam. Man sagte, dort würde ich Hilfe finden. Ohne Hoffnung suchte ich die Telefonnummer heraus, rief an und nach einigen Versuchen bekam ich dann einen Termin. Eine freundliche Frau hörte sich meine Geschichte an. Nach dem Gespräch legte sie mir eine Verpflichtungskarte vor,.Auf dieser sollte ich unterschreiben, dass ich mit Gottes Hilfe abstinent leben wollte. Sie lud mich auch zu den Blaukreuzstunden ein und betete für mich.
Es war seit langer Zeit das erste Mal, dass ich wieder betete, denn mit 18 Jahren war ich aus der Kirche ausgetreten. Doch die unterschriebene Verpflichtung brach ich sieben Mal. Wie versprochen, meldete ich jedes dieser Versagen. Die Blaukreuzlerin machte mir immer wieder Mut, neu anzufangen. Beim siebten Mal war ich so verzweifelt und zerbrochen, dass ich heulte und meinte, es gäbe keine Hilfe mehr für mich. Die Frau ermutigte mich, mit auf eine Besinnungswoche zu fahren. Daran nahmen befreite Alkoholiker teil und solche, die noch in Not waren. Ich sagte zu, aber in der Nacht vor meiner Abfahrt trank ich noch 13 Gläser Bier.
Während der Besinnungswoche wurde ich aufgenommen in eine Gruppe von fröhlichen und bedrückten Menschen. Ich selbst gehörte zu den bedrückten. In der Bibelarbeit besprachen wir die Geschichte des Kranken, der 38 Jahre lang am Teich Bethesda auf Genesung wartete. Mir wurde klar, dass die Frage Jesu an den Kranken: „Willst du gesund werden?“ auch an mich gerichtet war. Doch in mir war anfänglich noch Widerspruch. Ich dachte: „Was soll diese Frage? Es ist doch selbstverständlich, dass der Kranke gesund werden wollte“ Dann aber sah ich meine eigene Situation, und ich verstand plötzlich, dass die Frage notwendig war, gerade für mich. Gute Vorsätze hatte ich viele gefasst, aber wollte ich eigentlich frei und gesund werden? Wir bekamen eine Karte mit dem Bibelvers: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“. Dieser Spruch half mir, mein Leben unter die Lupe zu nehmen, mein Versagen, mein Herummogeln um die Wahrheit. .
Am Ende der Woche nahm ich all meinen Mut zusammen und betete in der Gemeinschaft: „Herr Jesus, wenn es dich gibt, dann hilf mir.“ Und er half! Ich musste von da an nicht mehr trinken. Nur Jesus Christus konnte mich aus meiner Selbstzerstörung erlösen.
Nach dieser Heilung konnten viele meiner Mitmenschen mit mir scheinbar nichts mehr anfangen. Sie betrachteten mich mit Misstrauen und behandelten mich, als ob ich eine neue Krankheit hätte. Fast wollte meine Freude schwinden, da wurde mir klar, was ich noch dringend nachzuholen hatte: Mein Leben musste bereinigt werden. Ich ging zu einem Pfarrer und bekam die Gewissheit der Sündenvergebuing. Durch Jesus Christus vergab mir Gott. Zugleich gab er mir den Auftrag, anderen Menschen davon zu erzählen, wie Gott mich verändert hatte.
In einem Gesprächskreis lernte ich meine Frau kennen. Sie ist Mutter von sieben Kindern. Ihr erster Mann, ein Alkoholiker, verunglückte tödlich. Gott half mir aus meiner Einsamkeit und vertraute mir eine große Familie an. Meiner Frau und mir wurde klar, dass wir berufen sind, Menschen Hilfe anzubieten, die die gleichen Nöte haben, wie wir sie hatten. So entstand 1977 ein Haus, das wir „Hort der Hoffnung“ nannten. Mehrere hundert Hilfesuchende fanden hier Aufnahme und Annahme. Wir wussten, dass wir ohne Jesus Christus nichts tun konnten. Er hielt seine Versprechungen und hörte unsere Gebete für die uns Anvertrauen.
Veröffentlicht in „Blaues Kreuz“ 6-2007 S.10